Samstag, 17. Juni 2017

Mit dem Kopf durch die Wand

Aufruhr und Rabatz im Ebracher Jugendknast

AUFSTAND! – tönt es sogleich im bayrischen Medienrummel. Doch was war geschehen an besagtem 09. Mai?

Nachdem 15 Gefangene beschlossen die Nacht lieber gemeinsam im Gang des Traktes zu verbringen, als sich wieder in die Einzelzellen einschließen zu lassen, nutzten sie die soeben eroberte Freiheit auch sogleich um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen: Matratzen wurden angezündet, Kameras zerschlagen, Sicherheitstüren zerstört, die Gänge mit Wasser überschwemmt und Essen an die Wände geschmissen.

 So viel Gaudi und Aufmüpfigkeit hat Ebrach (2000 Kühe) seit dem Anti-Knast-Camp der Haschrebellen im Jahre 1969 nicht mehr gesehen.






Die Bullen, Wachteln und bayrischen Ochsen standen unter Schock, die Gefangenen hatten Spaß und bewiesen, dass es nie zu repressiv, zu spät oder zu bayrisch für einen Aufruhr ist.

Und wo sind die Linien eines Konfliktes, die Grenze zwischen Unterdrückten und Herrschenden klarer, als in einem Gefängnis? Und aus der Dynamik eines Aufruhrs, kann auch schnell ein waschechter Aufstand werden… Am besten wissen genau das dieselben Herrschenden, die sich nicht lumpen ließen blitzschnell ein kleines Aufstandsbekämpfungsszenario aufzufahren und mit 100 Bullen und bereitstehendem SEK, sprich bereit für Hinrichtungen, die ohnehin noch immer Eingeschlossenen einzukesseln.

 Kein Wunder, dass jene im Angesicht dieser Armee der Mut versagte und sie sich spät in der Nacht wieder in „ihre“ Zellen einsperren ließen – bzw. dazu gezwungen wurden.





Nun laufen Ermittlungen wegen „Gefangenenmeuterei“ und dergleichen – was nach Piratenromantik klingt, ist mal wieder der niederträchtige Versuch der Justiz zum Vergeltungsschlag auszuholen.

Wir wissen nichts über die näheren Hintergründe und eventuellen Auslöser der Revolte, doch das müssen wir auch nicht, um zu wissen, dass es in diesen Totenhäusern nichts zu erhalten, zu renovieren oder zu verhandeln gibt.

Den Aufrührern in Ebrach gilt unsere volle Solidarität. 


Während wir tagtäglich in unser Scheinfreiheit jenseits der Gefängnismauern etliche Möglichkeiten und Momente verstreichen lassen, alleine als auch mit anderen den Aufstand zu proben und diese Zuchthausgesellschaft mittels geballter Wut und ekstasischer Gaudi zu attackieren, haben die Aufrührer in Ebrach trotz Einsperrung und fehlender Anonymität, trotz drohender Strafen und existierender Isolation kollektiv an einem Strang gezogen und sich – mit dem Kopf durch die Wand – ihre Lebendigkeit zurück erobert.


Kosten wir unsere Möglichkeiten aus und schlagen Brücken indem wir unsere Verbundenheit in gemeinsamer Revolte erproben… denn Freiheit kann nur auf der Asche der Knäste erblühen.




(aus: Fernweh Nr. 26 )    https://fernweh.noblogs.org/texte/26-ausgabe/mit-dem-kopf-durch-die-wand/